Es waren zwischen 400 und 500 Menschen zum Abschied von unserer geliebten Maddi gekommen. Unser Pfarrer, Herr Reinhard Strähler, hat eine wunderschöne Trauerrede über Maddi gehalten und das Lied "Tears in heaven" von Eric Clapton hat das Seinige dazu getan. Zum Ausklang spielte der Organist "Wenn das Brot, das wir teilen ...", Maddi's Lieblingskirchenlied. Nach der Trauerfeier haben wir alle (Familie, Freunde und Bekannte) noch zum Kaffee eingeladen, was eine wunderschöne Idee war, denn auf dem Friedhof ist die Atmosphäre zu beklemmend.
So konnte man bei einer Tasse Kaffe noch einmal über Maddi reden ohne die Anspannung, die auf dem Friedhof herrscht oder man nahm sich in den Arm und es war überflüssig auch noch irgend ein Wort zu reden.
Es war uns sehr wichtig, diesen Tag mit den Menschen zu verbringen die Maddi wichtig waren, denn ohne Familie, Freunde und Bekannte wäre unsere Knospe nie zu so einer wunderschönen Rose erblüht.
Hier die Trauerrede von Herrn Pfarrer R. Strähler, der Maddi so treffend beschrieb:
Ansprache zur Beerdigung von
Madeline R ö m e r
am Montag, 30. August 2004,
in Naurod
Liebe Familie Römer,
liebe Angehörigen,
liebe Freundinnen und Freunde von Madeline,
liebe Trauergemeinde!
Es gibt Situationen, da versagen Worte ihren Dienst. Weil Worte Gedanken formulieren. Und wenn Unfassbares all unser Verstehen und unser Vorstellungsvermögen übersteigt, dann können auch Worte nichts mehr formulieren. Dann versagen sie ihren Dienst.
Als wir am vergangenen Sonntag am späten Vormittag hörten, dass Madeline gestorben ist, war das so eine Situation. Da konnten wir alle im Grunde nur noch fassungslos und wortlos dastehen, weil es unser Verstehen völlig überstiegen hat.
Nun ist, eine Woche später, der allererste Schock wohl vorbei. Wir wissen jetzt, dass es Wirklichkeit ist. Aber das Erschrecken und das Nicht-verstehen-können bewegt uns wie im ersten Augenblick.
Und: Fragen treiben uns jetzt um. Fragen nach dem Grund: Wie kann es möglich sein, dass heute, bei all den medizinischen Möglichkeiten, die es Gott sei Dank gibt, doch immer noch in solch einer Situation niemand helfen kann – eine Frage, die ganz sicher auch die Ärzte von Madeline zutiefst bewegt.
Und zu den Fragen nach dem Grund kommen die Fragen nach dem Sinn: Ist es dem Menschen von Anfang an in die Wiege gelegt, wie lange seine Lebenszeit währt? Hat der Mensch seine Zeit, die ihm bestimmt ist? Oder sind das Hilfsfragen, mit denen wir unsere Ratlosigkeit und Ohnmacht zu bewältigen versuchen?
Fragen, die uns bewegen. Fragen, die auch in Ihrer Familie und die bei Jugendlichen und die in anderen Familien bei Eltern und Großeltern gestellt worden sind. Fragen, die uns alle hier im Dorf bewegt haben. – Und doch spüren wir: eine letzte, zufriedenstellende Antwort findet niemand. Ob es unsere Aufgabe ist, unsere notvolle Aufgabe, diese Ratlosigkeit aushalten zu müssen?
Aber dann gibt es eine Frage, auf die wir eine Antwort finden müssen. Die Frage: wie kann es denn weitergehen? Was kann denn uns jetzt helfen? Was kann uns in dieser Situation wieder Hoffnung für die Zukunft wecken?
Es gibt ein schönes Wort, das uns einen ersten Weg weist. „Die Erinnerung ist die Amme der Hoffnung!“ Die Erinnerung nährt die Hoffnung und lässt sie neu wachsen. - Jede und jeder von uns hat seine Erinnerungen an Madeline, an Maddi, wie Ihr alle gesagt habt. Ich will die Erinnerungen benennen, die ich habe.
Madeline war ein Mädchen, wie gesunde Mädchen in diesem Alter sind: sie liebte die Musik, wenn möglich, möglichst laut. Sie kannte die Texte alle auswendig. Sie war modebewusst und trug das Neueste, was Ihr gefiel, auch wenn wir Erwachsenen da manchmal ‚huch’ sagen wollten.
Mittags sah ich sie oft mal vor der Kirche. Da traf sie sich mit ihren Freunden und Freundinnen, mit ihrer Clique. Dann gab es Küsschen links, Küsschen rechts. Und anschließend wurde gleich das Handy ausgepackt, um eine SMS zu schreiben: ‚Ich bin jetzt vor der Kirche.’
Kurz: Madeline war ein Mädchen voller Leben. Sie liebte es, mit vielen anderen zusammen zu sein. Im Haus Römer war und ist immer Leben und Betrieb. Auch jetzt - Gott sei Dank.
Madeline lachte gerne. Sie erzählte gerne. Sie konnte keck sein. Sie war manchmal auch ziemlich schüchtern. Sie konnte auch mal widersprechen. Sie war nach außen hin ‚cool’, wie man heute sagt. Aber innerlich war sie doch sehr empfindsam. Nur das sollten nicht alle sehen. Das sahen die Eltern und die Familie und die besten Freundinnen und Freunde. Nach außen sollte es nicht dringen.
Wie gesagt: jede und jeder von uns hat eine Fülle von Erinnerungen, Erinnerungen, die uns jetzt, nach ihrem Tod, plötzlich ganz, ganz wichtig werden, für uns selbst. Erinnerungen, die uns gemeinsam lachen und weinen lassen. Erinnerungen, die uns, auch wenn sie uns in die Vergangenheit führen, dennoch beginnen, den Blick dafür zu öffnen, dass wir uns der Zukunft wieder zuwenden sollen. Madeline hätte es nicht gewollt, dass wir ihretwegen uns vergraben und nur noch verzweifelt sind. – „Die Erinnerung ist die Amme der Hoffnung.“ (Fulbert Steffinsky)
Im Konfirmanden-Unterricht haben wir gegen Ende der Konfi-Zeit auch von der Auferstehung gesprochen. Klar, dass da von Jugendlichen im Alter von 13, 14 Jahren schnell mal gesagt wird: „Das gibt es nicht.“ Oder: „Was interessiert uns das? Wir sind jung. Bis sich uns die Frage stellt, dauert es noch ein Leben lang.“
Es ist nur zu verständlich und eigentlich auch ein Zeichen von gesunder Entwicklung, wenn Konfirmanden so reagieren. Aber jetzt stellt sie sich doch ganz plötzlich, die Frage: Wie ist das mit der Auferstehung?
Die Auferstehung, das haben wir sehr deutlich besprochen; die Auferstehung ist nicht eine Wiederholung, nicht eine Wiederbelebung. Wenn der irdische Leib gestorben ist, ist er gestorben und kommt nicht mehr zurück.
Aber der Mensch ist mehr als sein Leib. An jedem Sarg wird uns das bewusst und klar. Auch Madeline war ja nicht nur Körper, wir spüren es bei jeder noch so kleinen Erinnerung. Und das, was jeden Menschen auszeichnet; das, was auch Madeline ausmachte und ausmacht, ihr Selbst, ihre Seele: die aufersteht. Die bleibt nicht im Tod. Die ist längst aufgehoben in der Liebe Gottes.
Der Psalm, den Madeline sehr gemocht hat, den sie mit dem Opa gelegentlich auswendig gesprochen hat, war der 23. Psalm, den wir eingangs gehört haben: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück. Denn: du bist bei mir. Dein Stecken und Stab trösten mich.“ – Da ist es drin. Da ist die Gewissheit formuliert, dass wir auch im Tod nicht einfach nichts mehr sind. Sondern dass Gott uns in seiner Liebe aufnimmt, dann, wenn wir an unsere Grenzen kommen. „Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde“ - im Angesicht alles dessen, was mir Angst macht und was mich bedroht.
Es gibt Situationen, da versagen Worte ihren Dienst. Aber Worte sind nicht das einzige, was wir haben. Wir haben uns gegenseitig, wir haben unsere Nähe! Ihre Familie, liebe Familie Römer, ist groß und sie ist stark! Der Zusammenhalt der Gemeinschaft trägt den einzelnen. Das ist vorbildlich. Das hilft. Das geht bis zum jüngsten Familienmitglied: Leon, der sein Recht auf Leben und Lebendigkeit hat und einfordert. Auch das hilft.
Und die Freunde helfen. Die Clique von Madeline, ihre Freundinnen und Freunde, kamen sofort zu Ihnen ins Haus, auch wenn das für alle sicher ein unendlich schwerer Gang war. Aber sie kamen, und das war super gut! Sie kamen und dann haben sie zusammen geweint und auch wieder gelacht. Sie haben Musik gehört. Und sie waren still. Das hat Ihnen, der Familie, und das hat den Jugendlichen gut getan.
Wir haben uns gegenseitig. Auch Madeline hat das so empfunden. Behalten wir das als ein Vermächtnis, das Madeline uns allen hinterlässt. Sie war ein lebensfrohes, lebensvolles Mädchen, die der Zukunft zugewandt war. Vermutlich würde sie uns jetzt trösten, trösten auch mit ihrem Sinn für Realität. Mit ihrer Fähigkeit, die Wirklichkeit anzunehmen und mit Vertrauen und Mut sich wieder in die Zukunft zu wenden. Nehmen wir das als ihren Wunsch für unsere Lebensgestaltung von hier mit nach Hause.
Wir haben uns gegenseitig. Wir haben die Erinnerungen. Und wir haben trotz des Sterbens, ja gerade gegen alles Erschreckende des Todes den Glauben: die Hoffnung und die Gewissheit, dass wir bei allem, was geschieht, auch bei allem, was wir nicht verstehen, dennoch in Gottes Liebe geborgen sind. „Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln!“ Damit wollen wir uns in die Zukunft wagen. Amen.
Naurod, im August 2004 R. Strähler, Pfr.
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Und hier die Predigt von Maddi's Gedenkgottesdienst:
Predigt zum 14. Sonntag nach Trinitatis
Gedenken an Madeline Römer und Markus Schw.
Samstag, 11. September 2004,
in Naurod
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Liebe Gemeinde!
In dieser und der letzten Woche haben wir zwei ganz junge Menschen zu Grabe getragen, Madeline und Markus. Das war schlimm! Schlimm für uns alle. Schlimm für Sie, die Eltern und die Familien in erster Linie. Schlimm aber auch für uns alle hier im Dorf. Unberührt blieb da keiner hier im Dorf: die Jugendlichen nicht, Eltern nicht, alte Menschen nicht. Für uns alle ist es schlimm. Wir haben zwar inzwischen begriffen, dass es so ist. Aber wirklich annehmen können wir es noch immer nicht.
Trotzdem wissen wir: wir können an diesem Punkt nicht stehen bleiben. Und es stellt sich die Frage, wie wir denn wieder ins Leben finden können und in eine gewisse Normalität. Vorläufig ist nur eines klar: das wird eine Entwicklung sein, die Zeit braucht, viel Zeit. Es wird sein wie ein Weg.
Es gibt in der Bibel eine Geschichte, in der diese Frage thematisiert wird. Es ist die Geschichte von den Jüngern aus Emmaus. Ich lese sie einmal vor.
"Und siehe, zwei von ihnen gingen an dem selben Tag in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa zwei Wegstunden entfernt; dessen Name ist Emmaus. Und sie redeten miteinander von allen diesen Geschichten.
Und es geschah, als sie so redeten und sich miteinander besprachen, da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen: Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht erkannten. Er sprach aber zu Ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs? Da blieben sie traurig stehen. Und der eine, mit Namen Kleopas, antwortete und sprach zu ihm: Bist du der einzige unter den Framen in Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen ist?
Und er sprach zu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu ihm: Das mit Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig an Taten und Worten vor Gott und allem Volk; wie ihn unsere Hohenpriester und Oberen zur Todesstrafe überantwortet und gekreuzigt haben. Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde. Und über das alles ist heute der dritte Tag, dass dies geschehen ist. Auch haben uns erschreckt einige Frauen aus unserer Mitte, die sind früh bei dem Grab gewesen, haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben eine Erscheinung von Engeln gesehen, die sagen, er lebe. Und einige von uns gingen hin zum Grab und fanden's so, wie die Frauen sagten; aber ihn sahen sie nicht.
Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trügen Herzens, all dem glauben, was die Propheten geredet haben! Musste nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen? Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war.
Und sie kamen nahe an das Dorf, wo sie hingingen. Und er stellte sich, als wollte er weitergehen. Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben.
Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach's und gab's ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen. Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?
Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten zurück nach Jerusalem und fanden die Elf versammelt und die bei ihnen waren; die sprechen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen. Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und wie er von ihnen erkannt wurde, als er das Brot brach." (Lukas 24, 13 - 35)
(1) Zu trauern, liebe Gemeinde, das gleicht in vielem einem Weg. Einem Weg, der sehr �änlich ist dem Weg, den diese beiden Jünger von Jerusalem nach Emmaus gegangen sind. Einem Weg, der beginnt an einem sehr traurigen Punkt und der dann - mit vielen Mühen und Beschwernissen verbunden - gegangen werden muss. Einem Weg, der die Jünger aber schließlich zu einem Ziel führt, zu ihrem Zuhause. Es ist also eine österliche Geschichte, die Lukas uns da erzählt, die uns Mut machen möchte und uns zur Hoffnung einlädt.
(2.1) Dieser Weg beginnt für die Jünger nach erschreckenden und verwirrenden Ereignissen, die sie in den Tagen zuvor miterleben mussten. Sie haben den Tod Jesu miterlebt. Sie haben die Grablegung miterlebt. Sie haben den Tag nach der Grablegung miterlebt, den Tag der inneren Leere. Sie haben auch davon gehört, dass Christus auferstanden ist. Aber das können sie in dieser Situation noch gar nicht glauben.
An diesem Morgen nun beginnt für sie wieder der erste Arbeitstag der neuen Woche. Nach dem Außergewöhnlichen nimmt nun die Normalität wieder ihren Lauf. Sie machen sich auf den Weg in die Normalität, eine Normalität freilich, die anders ist als vorher. Sie machen sich auf den Weg und d.h., sie nehmen sich Zeit, müssen sich Zeit nehmen. Und diese Zeit nutzen sie. Sie reden miteinander. Sie sprechen noch einmal ausführlich über alles, was geschehen ist, und wie sie es erlebt haben. Sie reden miteinander. Und damit tun die beiden das, was in dieser Lage das einzig Richtige ist.
(2.2) Ohne Zeit und ohne Gespräche können wir schlimme Eindrücke und schwerwiegende Veränderungen unseres Lebens nicht bewältigen. Wir haben in den letzten Tagen und Wochen alle wieder diese Erfahrung selbst gemacht, wie nötig beides ist! Das Durchdenken und Erinnern der einzelnen Eindrücke und Phasen tut gut, selbst wenn dabei die Tränen kommen. Und im Laufe der Zeit spüren wir, wie die Intensität der Erschütterung, wie der Druck der Hilflosigkeit wenigstens zeitweise etwas schwächer wird, wie wir in kleinsten Schritten die veränderte Wirklichkeit zu erkennen beginnen.
(3.1) Genau auf diesem Weg nun gesellt sich einer zu den Jüngern. Er begleitet sie. Er spricht mit ihnen. Er fragt sie und er gibt ihnen Verstehenshilfen. Er ändert nicht abrupt ihr Leben. Ja, er verändert äußerlich gar nichts. Aber je länger sie auf dem Weg sind, desto mehr spüren sie, dass sie selbst sich verwandeln; spüren sie, dass sich in ihnen der Verstehen klärt. Sie fassen je länger je mehr wieder Vertrauen.
Dass dieser Begleiter der auferstandene Christus ist, das merken sie über lange Zeit hin nicht. Sie merken vorläufig nur dies: Er ist halt da, und seine Anwesenheit tut ihnen gut. Später werden sie das so nennen: "Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Weg und uns die Schrift öffnete?" Aber unmittelbar und direkt können sie es zu diesem Zeitpunkt nicht benennen.
(3.2) Auch das war in den letzten Tagen und Wochen so. Ganz viele haben angerufen, bei den Familien, aber auch untereinander. Ganz viele kamen zu Besuch, haben eine Karte geschickt, einen kleinen Blumenstrauß vorbeigebracht. Und immer dann hat man gespürt, wie sehr uns die Anwesenheit, die Begleitung, das Mitdenken und -fühlen eines Menschen gut tut! In solchen Situationen lernen wir Menschen und Gesten plötzlich ganz anders kennen und schätzen.
Dabei muss ja gar nichts Umwerfendes passieren. Genau wie bei den beiden Jüngern ist es oft viel wichtiger, dass jemand einfach da ist, der Zeit mit mir verbringt, der mich anhört, dem ich mein Herz ausschütten kann, der mit mir das Schweigen aushält. Schon allein dadurch wird es oft leichter ums Herz, und die Traurigkeit und die Sorgen und Ängste werden kleiner. Wir beginnen zu ahnen: wir können auch das bewältigen.
(4.1) In der Gestalt eines solchen Begleiters also kommt Jesus selbst zu den Jüngern. Irgendwo ist das ja ganz tröstlich und gibt zugleich zum Nachdenken Anlass: Die beiden Jünger, die ihn zu seinen Lebzeiten gesehen und gekannt haben, sie können ihn nicht persönlich in dem Fremden erkennen. Aber hinterher merken sie: dieser Begleiter hat uns durch seinen Beistand herausgeholt aus den Tiefen. Er hat uns dazu geholfen, wieder freier zu werden. Das kann nur der Auferstandene sein, der den Tod überwunden hat.
(4.2) In der Gestalt eines Begleiters in der Not kommt der Auferstandene wohl auch immer wieder zu uns. Es ist schon ganz richtig, wenn wir sagen: "Dich hat mir der Himmel geschickt!" Das ist ganz richtig, weil wir spüren: der Tod verliert seine Kraft, zu binden und unfrei zu machen. Der Tod hat seinen Meister gefunden: den Auferstandenen! Der hat dem Tod die Macht genommen! Auch dann, wenn er unerkannt neben uns ist in der Gestalt eines anderen. Über kurz oder lang werden wir - wie die Jünger - das Geheimnis durchschauen.
(5.1) So also kommen sie voran. Und als sie am Haus angekommen sind, da laden die Jünger den, der ihnen so fremd und zugleich doch so nahe ist, ein, doch unter allen Umständen bei ihnen zu bleiben. Sehr einprägsam formuliert Lukas diese Einladung, die ja zugleich eine Bitte ist: "Herr, bleibe bei uns. Denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt." Die Bitte um bleibenden Beistand, wenn es um uns und in uns dunkel zu werden beginnt, verwehrt der Auferstandene nicht. Er begleitet sie ins Haus, er nimmt ihre Einladung an, er lässt sich von ihnen dienen. Und dann bricht er das Brot und teilt den Kelch aus, er isst und trinkt mit ihnen - Zeichen des Lebens! Und in der Gemeinschaft von Brot und Wein wird den beiden durchschaubar und erlebbar, dass das Leben und dass die Liebe stärker ist als der Tod. "Da wurden ihnen die Augen geöffnet und sie erkannten ihn. - Und er verschwand vor ihnen."
Jetzt sind sie wieder alleine. Aber jetzt ist die Not überwunden. Jetzt brauchen sie seine Anwesenheit in der Gestalt irgendeines anderen auch gar nicht mehr. Befreit und erleichtert atmen sie auf: sie können die Erinnerung an die irdische Zeit mit ihm bewahren, aber sie sind nicht mehr in die Vergangenheit gebunden.
Sie glauben! Sie hoffen! Ihre Hoffnung schaut jetzt über die Gegenwart und die Zukunft hinaus. Ihr Glaube, ihre Hoffnung ist stärker als das, was sie sehen.
Und so ist dies neben Zeit und Gespräch das andere, was Trauer überwinden hilft: der Glaube und die Hoffnung. Der Glaube, dass der Tod nicht Sieger geblieben ist, sondern dass in der Auferstehung des Christus die Liebe den Tod entmachtet hat. Und die Hoffnung, dass wir nach unserem irdischen Leben daran teilhaben werden.
(5.2) Unser Weg, den wir nach dem Tode eines Menschen zu durchlaufen haben, gleicht dem Weg der Emmaus-Jünger: Wir sind traurig, ja wir sind zutiefst erschüttert, wenn ein Mensch stirbt und wenn unser Alltag dadurch gänzlich verändert wird. Aber schon allein in Gestalt der Zeit und in Gestalt von Gesprächen spüren wir, wie sich allmählich doch Veränderungen anzeigen und wie unser Lebensweg an dieser Station nicht zu Ende ist, sondern weiterführt, auch wieder in schönere Gegenden.
Und irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem uns darin dann durchschaubar wird: der Tod ist nicht Sieger geblieben. Christus ist auferstanden. Und damit hat der Tod ein für alle Mal verloren. Er herrscht nicht mehr über die Verstorbenen und nicht mehr über uns, die Lebenden. Deshalb können wir loslassen und den Menschen, der immer bei uns war, getrost in Gottes Händen aufgehoben wissen. Wir können loslassen und uns unserem Lebensweg wieder zuwenden. Wie die Jünger. Die "standen auf zu derselben Stunde und kehrten zurück nach Jerusalem", mit Zuversicht und Kraft in ihren veränderten Alltag. Amen.
Naurod, im September 2004, R. Strähler, Pfr.
Fürbittgebet
Komm, Heiliger Geist,
und zeige uns Wege aus der Ratlosigkeit und Not in der Trauer um Madeline und Markus.
Tröste uns mit der Gewissheit, dass Du, Gott, größer bist als all unser Verstehen,
und mit der Hoffnung, dass du selbst sie in Deinem Frieden umfangen
und sie in Deiner Liebe aufgenommen und vollendet hast.
Für ihre Eltern und ihre Familie und für uns alle bitten wir um Deinen Beistand und die
Kraft des Glaubens.
Komm und ermutige uns. Und alles, was uns ganz persönlich bewegt, legen wir in die Worte hinein, die Du uns zu beten gelehrt hast:
Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
Wie im Himmel, so auf Erden.
Unser täglich Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen
denn dein ist Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen